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Buch-Bild-Kunst über Waisenkinder im Warschauer Ghetto:

Adam Jaromir und Gabriela Cichowska:  “Fräulein Esthers letzte Vorstellung”

Von Ada Bieber

 

Adam Jaromir und Gabriela Cichowska:

"Fräulein Esthers letzte Vorstellung. Eine Geschichte aus dem Warschauer Ghetto. "

Gimpel Verlag.

124 Seiten, farbig, € 29,90.

ISBN 978-3-9811300-8-9

 

 

 

 

Der Gimpel Verlag ist einer jener Verlage in Deutschland, dessen Neuerscheinungen besondere Ereignisse im (Lese-)Alltag darstellen. Die Bücher selbst liegen wie kleine Schätze in der Hand, die man nicht wieder loslassen möchte! Das ist selten geworden und deshalb von unschätzbarem Wert, gerade wenn ein solches Ereignis in die ansonsten etwas öde Sommerpause fällt.

In diesem Sommer scheint der Schatz und das Leseereignis noch etwas größer zu sein, denn ein solch kostbares Werk wie Fräulein Esters letzte Vorstellung von Adam Jaromir und der Künstlerin Gabriela Gichowska hat es schon lang nicht mehr gegeben und ist eine echte Sensation.

 

Dieses Buch über ein Kinderheim im Warschauer Ghetto im Jahr 1942 bewegt sich zwischen historischen Daten sowie verbürgten Informationen und fiktionalen Perspektiven der Kinder und des leitenden Artzes, der mit all seiner Kraft diesen Kinder ein Rest ihres wertvollen Lebens im Jahr 1942 zu bewahren versucht! Das Waienhaus und Dr. Janusz Korczak kennen viele Leser schon aus dem 2012 für den Jugendliteraturpreis nominierten Bilderbuch Blumkas Tagebuch! Fräulein Esthers letzte Vorstellung kann nicht direkt als Fortsetzung bezeichnet werden, aber es knüpft in gewisser Weise an das vorherige Buch an. Doch vieles hat sich verändert: nicht nur Autor und Illustratorin, sondern auch die Geschichte selbst ist komplexer geworden! Im Waisenhaus breitet sich die Not weiter aus, der Doktor geht im Ghetto betteln, um seine 200 Schützlinge zu ernähren. Außerdem steht, zumindest den erwachsenen Protagonisten, die Angst vor der Deportation und dem Tod beständig vor Augen. Diese Perspektive unterscheidet sich natürlich von der der Kinder, und so gibt es in diesem Buch  konsequenterweise auch zwei Erzählperspektiven: eine kindliche und eine erwachsene Erzählstimme. Diese werden auch optisch von einander getrennt, durch unterschiedliche Schriftarten und durch die phantastischen Bilder Gabriela Gichowskas.

Die Verzweiflung und die Trostlosigkeit ist angesichts des unvorstellbaren Ausmaßes von Unglück, Angst und Leid beständig im Text und in den Bildern greifbar, und man fragt sich, wovon es jenseits dieser Aussichtslosigkeit zu erzählen gibt!

Anders als man vielleicht bei einem Bilderbuch zum Thema ›Nationalsozialismus‹ erwarten könnte, wird der Leser hier nicht mit einer stringenten Handlung konfrontiert, die ein konkretes Schicksal nacherzählt. Vielmehr taucht der Leser in die Gedankenwelten, Assoziationen und Alltagsfragmente des Doktors, der Kinder und der Betreuerinnen ein. Es geht nicht so sehr darum, eine ›glatte‹, einheitliche Geschichte zu präsentieren als vielmehr darum, Gefühle, Gedanken, Perspektiven und auch geschichtliche Fakten in Szene zu setzen. Neben diesen anrührenden und lange nachhallenden Fragmenten wird vor allem von der Hoffnung, von Respekt und von der gegenseitigen Wertschätzung erzählt. All dies fließt zusammen in der Theateraufführung, die die Kinnder gemeinsam mit Fräulein Esther, einer der Erzieherinnen, einzustudieren. Fräulein Esther ist, wie alle anderen Figuren, mit all ihrer Kraft für die Waisenkind da: “Sie sagte einmal, sie wolle ein schönes Leben, weder lustig noch leicht. Helfen, nützen, für die anderen da sein.” (61)  Sie studiert mit den Kindern ein indisches Theaterstück ein, um sie das Gute im Leben in einer zu schweren Zeit spielend erleben zu lassen. Das bewahrt sie und die Kinder nicht vor dem nahen Tod, doch es gibt dem Leben aller mehr Sinn.

Die Intensität der Handlung und die innewohnende Sensibilität werden durch die Text-Bild-Wirkungen getragen. Die Bilder der polnischen Künstlerin Gabriele Cichowska gehen weit über das hinaus, was man als Illustration bezeichnen würden. Sie sind das Herz des Gesamtkunstwerkes und bereichern, erweitern und lenken den Text ebenso wie sie auch der Hintergrund sind, auf dem der Text abgedruckt sind. Die Künstlerin verwendet fast ausschließlich erd- und sandfarbene Töne, wartet mit feinen, aber nahen Betrachtungen der Kinder auf, kombiniert diese sachten Zeichnungen mit Collagen aus Karten, Listen, unterschiedlichen Materialien und lässt immer wieder das Dunkle und den Schrecken in die Bilderwelt einbrechen. Der Betrachter und Leser kann sich kaum dieser Bilderwelt entziehen, die stets die Balance zwischen Zartheit und Schrecken hält.

Trotz aller Bemühungen  um griffige Gattungs- und Genrezurdnungen in der Kinder- und Jugendbuchwelt scheint es hier falsch und fremd, diesem Gesamtkunstwerk ein gängiges Label aufdrücken zu wollen. Versuchsweise kann man sagen, dass es sich wohl um ein Bilderbuch handelt, doch sich nicht an ganz junge Leser richtet, einen umfangreichen Text mitbringt, den es sich öfter zu lesen lohnt und darüber hinaus viele Sachinformationen enthält oder verarbeitet, so dass es sicherlich auch Richtlinien eines Sachbuchs mehr als gerecht würde! Aber es ist auch eine fiktionale Geschichte. Summa summarum ist dieses besondere Buch ein Kunstkunst, das sich einem historischen Thema widmet, und ist ebenso lehrreich wie ein ästhetisches Vergnügen. Es verwundert also nicht, dass dieses Buch von der Robert Bosch Stiftung und durch das Polnische Buchinstitut gefördert wird und es vermag, den Blick auf Themen wie Vergangenheitsbewältigung, Fremdheit, Toleranz und Pädagogik zu lenken.

Das am 01.09.2013 erscheinende Begleitheft ist ebenso lohnenswert wie all die Zusatzinformationen, die der Verlag zur Entstehung der Geschichte auf der Verlagshomepage und der Facebookseite zur Verfügung stellt: www.gimpel-verlag.de

 

Als Fazit möchte man eigentlich nur eines sagen: Es ist ein erstaunliches Kunstwerk, das zwischen fact und fiction eine reiche Bildwelt entwickelt und jedem interessierten Leser jubelnd zu empfehlen ist.

 

 

 

Um nicht zu vergessen

Rachel van Kooij: "Eine Handvoll Karten"

Von Anne Spitzner

 

Rachel van Kooij:

"Eine Handvoll Karten"

Jungbrunnen Verlag 2010

272 S., €16,90

ISBN 978-3702658175 

 

 

 

 

 

 

„Eine Handvoll Karten“ erzählt die Geschichte der jüdischen Familie Goldstein aus den Niederlanden zwischen 1929 und 1942. 1929 wird Leny geboren, die ältere von zwei Töchtern. 1942 wird sie mit ihrer Familie im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Für alle, die den Völkermord nur aus der Schule und aus dem Fernsehen kennen, ist dieses Buch ein grausames Zeugnis dafür, wozu Menschen fähig sind. Bevor die Deutschen in die Niederlande einmarschieren, sind Juden dort Bürger wie alle anderen auch, lediglich Angehörige einer anderen Religion. Bei Kriegsbeginn flüchten die Goldsteins aus ihrer Heimatstadt, doch sie kehren wieder zurück, als die Deutschen die Stadt besetzt haben. Jetzt beginnt die hinlänglich bekannte Kette von Verordnungen, Einschränkungen und Diskriminierungen, die jedoch, weil sie an Einzelschicksalen festgemacht wird, betroffener macht als jede Aufzählung nüchterner Fakten. Die Familie Goldstein weigert sich, unterzutauchen oder zu flüchten, obwohl die Repressalien ihnen immer unerträglicher vorkommen. Schließlich wird Vater Silvain in ein Arbeitslager und wenig später ins Konzentrationslager gebracht; seine Familie geht den direkten Weg nach Auschwitz nur kurz nach ihm.

Die Geschichte von Leny und ihrer Familie ist nur teilweise Fiktion; die Mutter der Autorin Rachel van Kooij war als Kind mit Leny befreundet, und der Titel des Buches leitet sich her von einem Ansichtskartenalbum, das die Familie Goldstein bei Rachel van Kooijs Großvater in Sicherheit brachte, bevor sie ihr Haus verlassen musste. Dieses Album fand van Kooij und „beschloss […] herauszufinden, wer Leny war und was mit ihr passiert ist“. Kunstvoll verwebt van Kooij in ihrem Buch Fakten und Fiktion miteinander; ein zeitlich geordnetes Verzeichnis dessen, was Wirklichkeit ist, findet sich im Anhang des Buches.

Die Figuren des Romans, aus deren Sichtweise abwechselnd erzählt wird, wachsen trotz – oder vielleicht wegen – der schlimmen Geschichte nicht richtig ans Herz. Das Buch beginnt mit den letzten Minuten im Leben von Leny Goldstein, in der Gaskammer des Konzentrationslagers Auschwitz; deutlicher kann einem Leser nicht vor Augen geführt werden, wie es enden wird, und vielleicht verhindert diese Sequenz, dass man die Protagonisten allzu nah an sich heranlässt. Gleichzeitig macht sie aber das Verhängnis deutlich, das die ganze Geschichte hindurch über der Familie schwebt und das man niemals vergisst, auch, wenn zu Beginn noch alles nach einer glücklichen Zukunft aussieht.

Rachel van Kooij zeichnet mit „Eine Handvoll Karten“ ein bedrückendes, düsteres Bild des Mordes – nicht nur des Völkermordes an den Juden, sondern auch und vor allem des Mordes an vier Menschen: Silvain, Rosa, Leny und Carry Goldstein. Gerade, um nicht zu vergessen, wozu Menschen fähig sind, ist dieses Buch unbedingt lesenswert.

 

 

 

 

Offene Fragen, literarisch beantwortet

Itamar Levy: „Die Legende von den traurigen Seen“

Von Susan Müller

 

Itamar Levy:

„Die Legende von den traurigen Seen“

Aus dem Hebräischen von Vera Loos und Naomi Nir-Bleimling

Conte 2008

230 S., Euro 16,90

ISBN: 978-3936950786

 

 

 

Amnon sucht nach seiner wahren Identität: War sein Vater ein Nazi oder nicht? In den Kriegswirren änderten Juden, wenn möglich, ihre Namen, um untertauchen zu können. Die Existenz mehrerer Namen seines Vaters verunsichern Amnon.

Tausend verwirrende Gedanken drehen sich in seinem Kopf: „Vor wem habe ich Angst? Bin ich die „zweite Generation“? Wozu ziehe ich durch die ganze Welt zu Treffen der Kinder Überlebender? Warum kann ich das Getane, das Geschehene, die Zahlen nicht begreifen? Bin ich Nazi oder Jude? Bin ich der Starke oder Schwache? Bin ich der Jäger oder der Gejagte? Wer brachte Hitler an die Macht? Ist jeder Deutsche ein Nazi?“ Auf all diese Fragen sucht Amnon die Antwort, und dabei trifft er auf viele Personen, auf ganz unterschiedliche Charaktere, die dieses starke Buch zusätzlich bereichern. Zwischen den Gedanken derer, denen er begegnet, und seinen eigenen Gedanken bewegt sich Amnon hin und her. Dass der Autor Itamar Levy, 1956 in Tel Aviv geboren, mehrere Protagonisten in der „Ich-Form“ erzählen lässt, macht das Lesen nicht immer einfach. „Die Legende von den traurigen Seen“ ist ein anspruchsvolles Buch. Es verlangt Interesse am Thema und Vorkenntnissen zum 2. Weltkrieg sowie dessen Auswirkungen und Folgen.

Israel und Deutschland, Juden und Nazis, Erlebnisgeneration und Nachfahren – das sind Dreh- und Angelpunkt dieser Lektüre. Wenn man sich eingelesen hat, ist es für junge Leser höchst mitreißend zu erfahren, welche offenen Fragen den Menschen um seine Herkunft bewegen, warum und vor allem wie sich Amnon mit der Vergangenheit und deren Bewältigung auseinandersetzt.

(Ab 16)

 

 

 

 

Eine verlässliche, ergreifende und empfehlenswerte Lektüre

Eine Freundschaft in der Zeit des Nazi-Terrors

Von Susan Müller

 

Mirjam Elias:

Geheimversteck Hotel Atlantic. Eine wahre Geschichte

Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler

Fischer Vlg. 2005

384 S., Euro 14,90

978-3596851768

 

 

 

„Das Atlantic ist wie ein Schiff im Ozean des Elends“, so beschreibt ein Untertauchler in den Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges das Hotel Atlantic in den Niederlanden, und so erlebt es der Leser für die ganze Zeit. Ronni ist 8, als alle faulen Versprechen Hitlers, die Niederlande von seinen Kriegsspielen zu verschonen, nichtig werden. Sein Heimatland und damit seine Familie und Freunde geraten mitten hinein. Ronni empfindet es als schlimm, wenn seine Schulfreunde anders behandelt werden und in Angst leben müssen, weil sie Juden sind. Er versteht die Welt nicht mehr. Seine Eltern, die das Hotel Atlantic betreiben, machen den Wahnsinn des Judenhasses nicht mit, und sein Vater findet Mittel und Wege, nicht zuletzt unter dem Deckmantel des Hotels, um zu helfen. Es berührt, wie der Leser erfährt, dass viele Leute unter den ihnen gegebenen Möglichkeiten und unter Gefährdung der eigenen Sicherheit und der der Familie Hilfe gewährleisten. Ronnis Schule wird geteilt, Juden gehören ab sofort auf die Rückseite. Doch selbst oder gerade die Kinder wollen dem Anspruch nicht genügen, ihre Freunde zu vernachlässigen oder gar zu verleugnen. Das „Warum“ ist ja auch für die Erwachsenen nicht zu verstehen. Sehr bewegend wird die Freundschaft zwischen Ronni und Willi geschildert; Willi ist bei seiner Tante untergetaucht. Er wird Ronnis bester Freund, und dieser muss dafür seine anderen Freunde vernachlässigen, denn er darf Willi mit keinem Wort verraten und dessen Leben gefährden oder das beider Familien. Ronni gibt Willi in dieser Zeit viel Kraft, sie lesen, sie erzählen sich Geschichten, und immer wieder reizt es sie, theatralisch den Tod von Wilhelm von Oranje nachzuspielen.

Es ist nicht Ronnis Schuld und nicht seine Unvorsichtigkeit, dass Willi eines Tages abgeholt wird. Es ist ein Abschied für immer, wenn Ronni sich auch an den Glauben klammert, Willi hätte sich aus den Fängen der Moffen (wie Deutsche in den Niederlanden genannt wurden) befreien können. Die Tatsache, nichts über Willis Aufenthalt und sein Befinden zu wissen, dazu der Hunger, das Misstrauen und vieles mehr, lassen Ronni aggressiv werden, er macht mit sehr wenigen Ausnahmen kaum noch Unterschiede zwischen den Moffen und würde sie alle am liebsten totschießen. Als die Alliierten vorrücken und Ronnis alte Freundin aus den Kindertagen, Hanni, zurückkommt, hegt Ronni noch einmal die leise Hoffnung, Willi habe überlebt. Bis er an einer der Aushänge für Ermordete und Vermisste eines Tages der schrecklichen Gewissheit gegenübersteht – Willi wurde an seinem Geburtstag in einem Konzentrationslager vergast. Ronni erfasst eine unbändige Wut und Traurigkeit auf das sinnlose Töten. Diese tiefen Gefühle spürt man in dem Tatsachenroman mit lebendiger und ausdrucksstarker Wirkung als Leser mit.

Dieses Buch aus der Sicht eines kleinen niederländischen Jungen kann den Leser nachvollziehen lassen, wie schnell man in den Kriegsjahren erwachsen werden musste, und dass in dieser Zeit zugefügte Wunden nie ganz verheilen. Nie zuviel sagen und mit Umsicht tun, was man tun konnte zum eigenen und zum Schutz der anderen. Der Verstand war überlebenswichtig, Gefühle stauten sich irgendwie und irgendwo auf, mussten aber unter Kontrolle gehalten werden – sie könnten sonst an der falschen Stelle ausbrechen. Ronni lernt gute und böse Menschen kennen und mit schneller kindlicher Auffassungsgabe diese zu unterscheiden. Die Authentizität dieses Werkes geht nie verloren und ist in allen Details glaubhaft, da nichts beschönigt wird. Der Leser kann sich selbst seinen Reim auf die Verhaltensweisen der handelnden Personen machen. Eine verlässliche, ergreifende und empfehlenswerte Lektüre über die schlimme Zeit des Krieges, eine Zeit, die sich nie wiederholen darf.

(Ab 13)

 

 

 

 

Hoch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   
 

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